
Leistungssport und Zwangsdoping
Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zählte zu den erfolgreichsten Sportnationen ihrer Zeit. Mit über 500 olympischen Medaillen war der DDR-Sport im internationalen Wettbewerb führend. Doch der Leistungssport in der DDR war eng mit der politischen Auseinandersetzung des Kalten Krieges verknüpft. Als Teil der Systemkonkurrenz zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde der Sport in der DDR nicht nur stark staatlich kontrolliert, sondern auch gezielt für politische Zwecke genutzt. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) betrachtete sportliche Erfolge als Mittel der politischen Repräsentation und als Instrument, um die Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem Westen – insbesondere der Bundesrepublik Deutschland – zu demonstrieren. Gleichzeitig diente der Sport dazu, sowohl national als auch international eine positive Wahrnehmung der DDR zu fördern und innenpolitische Schwächen zu überdecken. Der DDR-Leistungssport ging daher mit Manipulationen und Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) einher.
Mit der Einführung des „Staatsplanthema 14.25“ im Jahr 1974 wurde Doping systematisch und flächendeckend von der SED angeordnet, organisiert, kontrolliert und überwacht. In der Folge wurden erwachsenen und minderjährigen Sportler/innen, die in ihrer Entwicklung zum Teil noch weit vor der Pubertät und der biologischen Reife lagen, unwissentlich hohe Dosen verbotener Dopingsubstanzen, sogenannte „unterstützende Mittel (uM)“, verabreicht. Mit diesen „uM“ wurde ein altersunangemessenes Training weit über die anatomischen Leistungs- und Schmerzgrenzen hinaus möglich. Zudem erlebten die ehemaligen DDR-Leistungssportler/innen verschiedene Formen von Missbrauch und Vernachlässigung. Dazu gehörten emotionaler Missbrauch durch die Trainer/innen sowie körperliche und sexuelle Gewalt.
Was sind die Folgen für Betroffene?
Zwischen 10.000 und 15.000 Personen waren schätzungsweise vom geheimen Zwangsdoping betroffen. Die durch die Dopingmittel verursachten gesundheitlichen Schäden und die damit verbundenen negativen Erfahrungen im DDR-Leistungssport werden als komplex körperlich, psychisch und sozial beeinträchtigend beschrieben. Kombinationen von Schäden können in fast jedem Organsystem des Körpers auftreten.
Die durch das Doping ermöglichten extremen Trainingsbelastungen verursachten häufig Verletzungen. Diese Verletzungen führten oft zu starken und chronischen Schmerzen und erforderten später u. a. Gelenkersatzoperationen.
Schon in frühen Berichten des MfS wurden psychische Schäden durch das Doping notiert: Genannt wurden seelische Veränderungen, eine gesteigerte Aggressivität sowie ein erhöhter Sexualtrieb. Auch heute noch leiden viele ehemalige betroffene Spitzensportler/innen unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Zudem haben einige Betroffene ein verzerrtes Selbstbild und Probleme mit ihrer sexuellen Identität und Reifung. Weitere langfristige psychosoziale Folgen umfassen Fehlgeburten sowie Probleme in der Familie, in der Partnerschaft und im Beruf.
Wie können Betroffene entschädigt werden?
Zwischen 2002 und 2019 traten zwei aufeinanderfolgende Versionen des Doping-Opfer-Hilfegesetzes (DOHG) in Kraft. Sie ermöglichten ehemaligen Sportler/innen, die in der DDR ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen gedopt wurden, die Beantragung einer einmaligen Entschädigungszahlung aus entsprechenden Fonds. Das Gesetz war befristet und lief 2019 aus. Dopingbetroffene sind in den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen nicht berücksichtigt. Mit der Novellierung dieser Gesetze vom 31. Januar 2025 verabschiedete der Bundestag jedoch einen Prüfantrag zur aktuellen Lebenssituation dieser Opfergruppe.
Informationen für Betroffene
Interessant für Fachkräfte
Gesundheitliche Langzeitfolgen minderjährig zwangsgedopter DDR-Leistungssportler/innen
Fortbildung
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Modulare Weiterbildung
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