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Leise Repressionen und Zersetzung

Um die Macht der SED zu sichern und Kritik zu unterdrücken, überwachte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) große Teile der DDR-Bevölkerung. Gegen Menschen, die als staatsfeindlich galten, ging das MfS mit vielfältigen Formen der Repression vor. Ab den 1970er-Jahren setzte es verstärkt auf sogenannte „leise Repressionen“ – subtile Formen der Unterdrückung ohne den Einsatz offener Gewalt oder strafrechtlicher Verfolgung. Dazu zählten psychologische Manipulation, Überwachung, gezielte Verleumdung sowie die bewusste Zerstörung beruflicher und sozialer Existenzen. Grundlage dafür war ein umfassendes Netz aus offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Mitwirkung nichtstaatlicher Akteure wie Arbeitgebenden, Lehrkräften oder der Volkspolizei. Ziel war es, Angst, Isolation und Unsicherheit zu erzeugen und das Selbstbewusstsein der Betroffenen systematisch zu untergraben.

Die intensivste Form war die sogenannte „Zersetzung“ – eine gezielte psychologische Zermürbung von Menschen, die als politisch unerwünscht galten. Ziel war es, das Handeln dieser Personen präventiv zu beeinflussen – ohne formalen staatlichen Eingriff. Im Jahr 1976 wurden in der „Richtlinie 1/76“ im Abschnitt „Maßnahmen zur Anwendung der Zersetzung“ verschiedene Maßnahmen leiser Repression standardisiert und kombiniert. Zu diesen Methoden zählten unter anderem:

  • Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes
  • Systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen
  • Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, Telegramme, Anrufe, kompromittierender Fotos, z. B. von stattgefundenen oder vorgetäuschten Begegnungen
  • Gezielte Verbreitung von Gerüchten
  • Gezielte Indiskretionen
  • Vorladung von Personen zu staatlichen Dienststellen oder gesellschaftlichen Organisationen mit glaubhafter oder unglaubhafter Begründung

Was sind die Folgen für Betroffene?

Die Folgen dieser systematischen Zersetzung in der DDR sind nachhaltig, vielschichtig und komplex. So zeigen Betroffene noch heute höhere Prävalenzen affektiver Störungen (wie Depressionen), Angststörungen und somatoformer Störungen (d. h. körperliche Beschwerden aufgrund psychischer Belastung). Betroffene berichten zudem u. a. von einer niedrigeren Lebensqualität und weniger sozialer Unterstützung. Im Vergleich zu Menschen ohne Repressionserfahrungen empfinden einige Betroffene deutlich mehr psychischen Stress, fühlen sich einsamer und vermeiden vermehrt enge Bindungen.

Leise Repressionen betreffen auch die körperliche Gesundheit und können mit höheren Entzündungswerten im Immunsystem zusammenhängen, welche u. a. das Risiko für Autoimmunerkrankungen erhöhen.

Gleichzeitig berichten manche Betroffene auch von positive Einsichten aus ihren Erfahrungen, etwa die geschärfte Fähigkeit, kritisch zu hinterfragen oder eine gesteigerte Wertschätzung für das zu haben, was sie besitzen.

Wie können Betroffene entschädigt werden?

Seit der Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze 2019 haben Betroffene von sogenannte Zersetzungsmaßnahmen die Möglichkeit, eine Einmalzahlung von 1.500 Euro als Entschädigung zu beantragen. Alternativ können Ausgleichsleistungen z. B. durch die Rentenkasse beantragt werden.

Ob eine Maßnahme vorliegt, die mit dem Ziel der Zersetzung erfolgte, muss im Einzelfall geklärt werden. Häufig kann es schwer sein, Zersetzungsmaßnahmen eindeutig nachzuweisen oder die Folgen derer in den Zusammenhang zu stellen. Es bietet sich bzgl. möglicher Entschädigungsleistungen und Rehabilitierungsmöglichkeiten an, eine Beratungsstelle aufzusuchen und den persönlichen Einzelfall zu besprechen.

Informationsmaterial für Betroffene

Interessant für Fachkräfte

Die „leise“ Repressionsform der DDR und ihre biopsychosozialen Folgen für Betroffene

Fortbildung

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Betroffene von Zersetzung

Modulare Weiterbildung (Erweitertes Basic)

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